In Dreschvitz werden sechs junge Bäume im Schulgarten heranwachsen. Das Besondere: Die kleinen Buchen sind Nachfahren der berühmten Naturdenkmal-Buchen von Lietzow.
Dreschvitz. Frieda, Lotta, Nele, Martha und Erik klopfen behutsam die Erde rund um die Bäumchen fest, die sie gerade eingepflanzt und gewässert haben. „So, ihr Kleinen, jetzt wachst mal“, feuert Lotta die Mini-Süntel-Buchen an. Doch gut Ding will Weile haben – bis die Buchen ein Blätterdach bilden, so wie ihre Eltern im Hexenwald von Lietzow, wird noch viel Zeit vergehen.
„Das macht nichts, ihr könnt ja auch später, wenn ihr erwachsen seid, zurückkehren und schauen, was aus euren Süntel-Buchen geworden ist“, sagt Katharina Dujesiefken, Referentin für Baum- und Alleenschutz beim BUND. Sie freut sich besonders, dass sie dieses Projekt heute zu einem ersten Abschluss bringen kann, denn auch hier wollte gut Ding Weile haben. „Ich habe vor zehn Jahren von dieser Aktion gehört, sie wurde in Kassel initiiert“, erklärt Dujesiefken. „Damals fand ich die Idee, von Bäumen, die Naturdenkmäler sind, Samen zu nehmen und durch Setzlinge ihre genetischen Informationen zu erhalten, einfach wunderbar.“
Also sucht und findet sie 2012 Verbündete, vor allem Anke Meinke, damals noch tätig bei der Baumschule Putbus. „Wir sind losgezogen und haben auf ganz Rügen Samen gesammelt, von den Süntel-Buchen, aber auch von der Billroth-Eiche in Bergen und anderen Baumdenkmälern“, erinnert die Rentnerin sich. Und das war gar nicht so einfach. „Bäume sind wie Menschen: Wenn sie in ein gewisses Alter kommen, bekommen sie nur noch sehr wenige Samen – und das auch nicht jedes Jahr.“
Der erste Versuch misslingt: Die wenigen Samen keimen nicht, werden auch noch von Mäusen gefressen. „Das war ein herber Rückschlag. Und in den nächsten Jahren hat es einfach nicht geklappt, die Samen waren entweder taub oder es gab keine.“ Doch Anke Meinke gibt nicht auf, sucht und sammelt weiter. „Wenn sie nicht gewesen wäre, wäre das Projekt gestorben“, sagt Katharina Dujesiefken anerkennend. Und dann, endlich, passt alles: Rund 30 Samen der fast 100-jährigen Süntel-Buchen sprießen im Blumenkasten, bevor sie im Garten von Anke Meinke ein erstes Zuhause finden.
Fast ein Jahr ist nun vergangen, die Bäumchen zeigen schon erste Anzeichen der typischen „Verdrehungen“, die den Buchen auch zu dem Namen „Hexen- oder Krüppelbuchen“ verholfen haben. Nun dürfen sie aus dem Topf ins Freiland.
„Wir fanden die Idee sehr schön, die Bäume auf Rügen wachsen zu lassen“, erklärt Katharina Dujesiefken. „Sie kommen von hier, hier sollen sie auch bleiben.“ Und so wendet sie sich an Silke Stephan, die sich mit ihrem Projekt „Alleenpatenschaften“ ebenfalls für den Baumbestand auf der Insel engagiert. Ihr fällt sofort die Umweltschule Rügen ein, viele Schüler hier sind durch Patenschaften für Alleebäume schon mit der Baumpflege vertraut. „Wir haben uns sehr gefreut, als die Anfrage kam“, sagt Bianca Reetz, Schulleiterin in Dreschvitz. „Auf unserem großen Schulgelände stehen schon viele schöne Bäume, die von unseren Schülern sehr geliebt werden. Wir fühlen uns geehrt, dass wir jetzt junge Riesen beim Heranwachsen begleiten dürfen.“
Einen ersten Platz bekommen die Süntel-Buchen an einer geschützten Stelle im Schulgarten. Hier dürfen sie rund drei Jahre wachsen, bevor sie an ihren endgültigen Platz verpflanzt werden. Bis dahin werden sich die Schülerinnen und Schüler der Umweltschule um die Kleinen kümmern. „Wir passen auf, dass sie nicht angefressen werden oder Pilze bekommen“, sagt Lotta stolz. „Wir kriegen das schon hin.“ Eine Aussage, die besonders Anke Meinke rührt. „Es ist schön, zu wissen, dass unsere Mühen hier geschätzt werden und die Süntel-Buchen einen so schönen Platz bekommen haben“, freut sich die Samensammlerin.
Gaia Born (OZ, 25. Oktober 2022)
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